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„gelungene Kombination von barocker und Neuer Musik" (Saarbrücker Zeitung)

PoppeaMaterial


Auftragskomposition von pazzaCaglia Opera

Musik: Claudio Monteverdi und Claas Willeke

Inszenierung: Marco R. Heißgluth
Ausstattung: Ingo Bracke 
Dramaturgie: Sabine Göttel

(Uraufführung in Saarbrücken und Köln 2005) 

Wer vermag Nero und Poppea in ihrem Taumel aus Leidenschaft und Machtgier zu stoppen? Liebeshungrig und karrieresüchtig zugleich, geraten Kaiser und Kurtisane in den Bann fanatisch beschleunigter Gefühle. Ihre rigorose neue Moral: Der Zweck heiligt die Mittel. Ihre Opfer: Die betrogene Ehefrau und der verlassene Geliebte. Fazit: Sind verlässliche Liebe und dauerhafte Treue Werte einer im Untergang begriffenen Ordnung?

Monteverdis L’incoronazione di Poppea, entstanden 1642/43, ist ein Kammerspiel aus dem Zentrum der Macht. Das darin entfaltete Pandämonium menschlicher Gefühle trägt wesentlich dazu bei, dass diese frühe Oper den Sprung in die Gegenwart mühelos schafft: Wie im Brennspiegel erscheint das Drama um Liebe und Leidenschaft in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs. Der Charakter der barocken Musik jedoch wird meist als rein kulinarisch begriffen. Die bereits bei Monteverdi musikalisch angelegte Zerrissenheit der Figuren, die Unentschiedenheit ihrer Gefühle, die Irritationen im Herrschaftsgefälle verdienen es, wieder stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt zu werden.  

Gemeinsam mit dem Komponisten Claas Willeke und Regisseur Marco R. Heißgluth hat sich pazzaCaglia dieser Bruchstellen angenommen und einen Dialog zwischen frühbarocker Oper und Neuer Musik angeregt. Die neu arrangierten Szenen von PoppeaMaterial bleiben auf die wichtigsten Protagonisten konzentriert und zeichnen den Handlungsverlauf des Originalwerks nach. Elektronik, klangliche Verfremdung und Improvisation, historische und heutige Gesangspraxis verschmelzen zu einer eigenen Klangsprache, die durch Kontrastierung, Modulation und Durchdringung in vielfältige Beziehungen zur Musik Monteverdis tritt. Saxophon, akustische und elektrische Gitarre, Laute, Violoncello, Cembalo und Gesangsstimmen – darunter ein Jazz- und Pop-Sänger - werden sowohl in den Original- als auch in den neu komponierten Anteilen eingesetzt. Die handelnden Figuren reiben sich am schönen Schein „modischer“ Klangflächen.

Im Spannungsfeld zwischen Alter und Neuer Musik beleuchtet PoppeaMaterial Historie, Innenleben der Charaktere und Zeitbezüge neu: In welchem Aggregatzustand befindet sich die Liebe als Gefühlswert zu Beginn des neuen Jahrtausends? Existiert sie überhaupt noch als Verheißung und Glücksanspruch? Oder erscheint sie hoffnungslos überlagert vom Zwang, das Intime in den Containern der Spaßgesellschaft öffentlich zu verhandeln? Wird die Liebe ihre Sprengkraft als deeskalierender, befriedender Faktor im Zusammenleben der Menschen bewahren oder zukünftig nur in den Extremen fanatisch-terroristischer Beschleunigung und privater Biederkeit lebbar sein?

Der Komponist Claas Willeke beschäftigt sich in seinen Kompositionen mit der Verbindung von akustischen und elektronischen Klangmitteln. Als Komponist für die Bühne hat er sich mehrfach mit älteren musikalischen Vorlagen auseinandergesetzt, so z.B. mit Bizet in "Carmen – privat" und mit Barockmusik in "Zettels Sommernachts Traum" (Saarländisches Staatstheater Saarbrücken).

PoppeaMaterial ist eine Auftragskomposition von pazzaCaglia. Die Uraufführung fand am 10. 11. 2005 in Saarbrücken im Opernstudio St. Mauritius statt. Angeregt wurde die Produktion durch Netzwerk Musik Saar e.V., Veranstalter der Saarbrücker Aufführungen. In Köln waren die Kölner Gesellschaft für Neue Musik, die Alte Feuerwache Köln und pazzaCaglia selbst Veranstalter. Begleitend zur Uraufführung veranstaltete tertium comparationis. Netzwerk für komparatistik e.V. zusammen mit dem Lehrstuhl für Italienische Literaturwissenschaft der Universität Saarbrücken und dem Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg das interdisziplinäre Kolloquium Monteverdis Poppea heute: Aus musik-, literaturwissenschaftlicher und komparatistischer Sicht präsentierten internationale Forscher neue Beiträge zu historischen und aktuellen Aspekten des Poppea-Stoffes.

Das Medienecho war groß. Neben Vorankündigungen und Kritiken in Saarbrücker Zeitung und Kölner Stadt-Anzeiger, gab es Besprechungen im SR- und WDR-Hörfunk und einen TV-Bericht im „Kulturspiegel“ des SR (Südwest-Fernsehen).

 

Mitwirkende

Inszenierung: Marco R. Heißgluth –  Ausstattung, Lichtgestaltung: Ingo Bracke – Dramaturgie: Sabine Göttel – Konzeption, Fassung: pazzaCaglia, Sabine Göttel, Marco R. Heißgluth, Claas Willeke

Nerone, Amore: Ralf Peter (Soprano) –  Poppea, Fortuna: Kirstin Hasselmann (Sopran) – Ottavia, Virtù: Claudia Kemmerer (Mezzosopran) – Ottone: Cem Arnold Süzer (Pop- und Jazz-Sänger) 

Laute: Gerlind Puchinger – Cembalo, Orgel: Lutz Gillmann – Violoncello: Johannes Loescher – E-Gitarre, akustische Gitarre: Frank Wingold – (Live-)Elektronik, Sopransaxophon: Claas Willeke – Tontechnik: Timo Mattes – Bühnen- und Lichttechnik: Krischan Kriesten – Übertitel: Sabine Göttel

Aufführungsdauer: ca. 90 Min. ohne Pause

Aufführungsrechte Willeke: Wolfgang Galler Musikverlag, Berlin

 

Presse

"...eine Spielvorlage, die zwar einen festen Handlungsrahmen vorgibt, aber durch die Vielzahl der Beteiligten unterschiedlichste Akzentuierungen und Perspektivwechsel erlaubt: vom Erotik-Thriller bis zur politischen Parabel... Verwegener noch als die Idee, "Poppea" mit vier Akteuren auf die Bühne zu bringen, ist es, dabei nur eine Handvoll Instrumente einzusetzen – eines davon eine E-Gitarre (Frank Wingold)... (Sie ) drückt im Zusammenspiel mit der fein abgestimmten Live-Elektronik dem Klangbild ihren Stempel auf und prägt es im Verlauf des Abends immer mehr. Höhepunkt ist die vollgriffige Begleitung zum mit Mut zur Hässlichkeit vorgetragenen "Adagiati, Poppea". ... Überhaupt ist es ein Abend der erstaunlichsten Klangmixturen zwischen den "Neuen" und der pazzaCaglia-Stammbesetzung... Zum "A Dio Roma" krächzen Möwen am Meer, dann münden die Naturlaute ins atonal überformte "Pur ti miro", das noch einmal zeigt, wie sich die Auftragsarbeit des Komponisten Claas Willeke zu Monteverdis Original(?)musik versteht: als ein höchst eigenständiger Kommentar, der nicht in falsch verstandenem Respekt vor der Überlieferung verharrt... Es ist dieser Monteverdi-Rekomposition nicht nur viel Erfolg zu wünschen, sondern auch die Chance auf eine Produktion an einem richtig großen Haus." (Concerto)

"Claas Willekes Komposition "PoppeaMaterial", die auf Monteverdis Oper gründet, setzt die historische Musik fast bruchlos in einen neuen Kontext. Das freie Ensemble "pazzaCaglia" findet im Opernstudio der Saar-Musikhochschule eine beredte musikalische Sprache dafür... In die von "pazzaCaglia" auf historischen Instrumenten gespielten Barockklänge mischen sich die Sounds von Elektronik und Gitarre. Komponist Willeke hat sich mit Monteverdis Musik intensiv auseinandergesetzt. Er ergänzte, veränderte die Vorlagen, komponierte neue Passagen. Das Erstaunliche an dieser Arbeit ist, dass sie zwar einerseits das Alte mit dem Neuen konfrontiert, andererseits aber die historische Musik fast bruchlos in einen neuen Kontext stellt. Es gehört zu den spannendsten Momenten der Musik, wenn die einen ganz spezifischen Bewusstseinszustand ausdrückenden Gesangslinien – von Kirstin Hasselmann, Ralf Peter und Claudia Kemmerer souverän gestaltet – in neue Klangräume überführt und erweitert werden... Regisseur Marco R. Heißgluth stellt mit den vier Sängern und einem recht kargen Bühnenraum ein kaleidoskopartiges Spiel auf die Bühne, das die Veränderung und Beeinflussung der Menschen durch Macht und Liebe in verschiedenen Konstellationen dezent und anregend zugleich vorführt." (Saarbrücker Zeitung)

"... Hier erprobt die Truppe an dem Meisterwerk, ob eine Barockoper mit Erfahrungen von 2005 kompatibel sein könnte... Marco Heißgluth inszeniert mit nur vier Figuren, den Verliebten und ihren Ex-Partnern, ein Kaleidoskop voller Simultan- und Traumszenen... Mit Montagen arbeitet auch der Komponist Claas Willeke... (Er) versetzt barocke Klänge (Laute, Cembalo) mit Elektronik und neuem Sound (E-Gitarre, Sopransaxophon). Für Fluchten aus dem Barock in die Gegenwart gibt er Freiheit zum Improvisieren. Neue, übrigens für Sänger dankbare Melodien klingen den alten eng angeschmiegt, ohne harte Brüche... Der groteske Einfall, dem Popsänger Cem Arnold Süzer den Verlierer Ottone anzuvertrauen, hat Vorzüge... Jedenfalls wird hier Monteverdis Oper zum Steinbruch, sie liefert Material für eine Probierwerkstatt... pazzaCaglia zerpflückt gern strenge Formen. So zeigt jetzt auch ihr jüngstes, mit Diskussionen und gelehrten Anmerkungen umrahmtes Produkt viel Erfahrung, Angriffslust und Freude am Experiment. (Kölner Stadtanzeiger)

 

PoppeaMaterial wurde gefördert von der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen, der Landeshauptstadt Saarbrücken, dem Kultusministerium des Saarlandes und dem Kulturamt der Stadt Köln. 

 

 

einen kurzen Filmbericht hierzu finden Sie unter Kostproben (wird noch aktualisiert)